Auftakt zur Woche der freien Träger

Unter dem Motto “Kita-Qualität hat viele Gesichter” startete am Montag, 4. Juni 2018, die diesjährige Woche der freien Träger des VFUKS mit einem Vortrag von Bastian Walther zum Thema “Kita-Qualität aus Kindersicht”. Grußworte sprachen die VFUKS-Vorstandsvorsitzende Waltraud Weegmann, Schirmherrin Brigitte Lösch, Vorsitzende des Ausschusses für Kultus, Jugend und Sport des Landtags von Baden-Württemberg, sowie Martin Adam, Vorsitzender des Landesverbandes Baden-Württemberg des VPK –  Verband privater Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe e. V. 

Waltraud WeegmannDie VFUKS-Vorstandsvorsitzende, Waltraud Weegmann, ging in ihrer Rede auf die wachsende Bedeutung der sogenannten “sonstigen freien Träger” ein, die weder den Kommunen, noch den Kirchen oder großen Wohlfahrtsverbänden angehören. “Die Koordinaten in der Kinderbetreuungslandschaft haben sich verschoben”, fasste sie zusammen. “Wir, die freien  unabhängigen Träger, sind eine bedeutende Größe für die Kindertagesbetreuung hier in Stuttgart und im ganzen Land. Unsere Stellung und unser Einfluss in der Branche, spiegeln dies jedoch nicht wider. Auch nach Jahrzehnten gelten wir noch als ‘Newcomer’, die besonders kritisch beäugt werden.” Mit der Woche der freien Träger schaffe der VFUKS Transparenz. “Wir öffnen unsere Türen: Wir zeigen, wer wir sind, was wir bieten und für welche Werte wir stehen”, sagte Weegmann.

Kita-Qualität steht im Fokus

Brigitte LöschBrigitte Lösch, Vorsitzende des Ausschusses für Kultus, Jugend und Sport des Landtags von Baden-Württemberg, erklärte in ihrem Grußwort: “Ich kann Ihnen versichern: ‘Sie werden gehört.’ Und ich unterstütze Sie dabei. Daher habe ich auch dieses Jahr gerne wieder die Schirmherrschaft für Ihre Woche der freien Träger übernommen.” Dass dem Land neben dem Ausbau der Kindertagesbetreuung die Qualitätsentwicklung wichtig sei, zeigten die wachsenden Ausgaben in diesem Sektor. 2010 gab es im Landeshaushalt dafür Mittel in Höhe von 109 Millionen Euro. 2017 waren es bereits 824 Millionen. Aktuell spricht die Landesregierung im Rahmen des “Pakts für gute Bildung und Betreuung” mit den kommunalen Spitzenverbänden sowie mit Trägerverbänden über Maßnahmen zur Qualitätssteigerung. Die Referentin musste jedoch eingestehen, dass die freien unabhängigen Träger in dieser Runde nicht repräsentiert seien.

Alle Träger gleich behandeln

Martin AdamMartin Adam, Vorsitzender des Landesverbandes Baden-Württemberg des VPK –  Verband privater Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe e. V., sprach als langjähriger Kooperationspartner der Veranstaltungswoche. Er stellte kritisch fest, dass sich freie unabhängige Träger bei Eltern und Politik noch immer besonders “beweisen” müssten und forderte eine einheitliche Förderung aller Träger – unabhängig von ihrer Rechtsform. “In Berlin steht jetzt ein Gesetzt zur Qualitätssteigerung in Kitas auf der Tagesordnung”, sagte er. “Ich bin gespannt, was davon in sechs, zwölf oder mehr Monaten in der Praxis angekommen sein wird.”

Qualität: Kindersicht einbeziehen

Hauptredner des Abends war Bastian Walther vom DESI – Institut für Demokratische Entwicklung und Soziale Integration. Er stellte die Ergebnisse der Studie “Kita-Qualität aus Kindersicht” vor, deren Mit-Autor er ist. “Qualität ist ein dynamisches, interperspektivisches Konstrukt”, sagte er. “Die Sicht der Kinder gehört unbedingt dazu.” Was die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausfanden, bestätigt in vielen Punkten die Grundsätze moderner Pädagogik. So möchten Kinder in der Kita als individuelle Person gesehen werden und sich gleichzeitig der Gemeinschaft zugehörig fühlen können. Sie genießen es, sich als kompetent zu erleben. Und sie möchten beteiligt werden und mitbestimmen.

Kinder lieben “geheime” Orte und “gewagte” Aktionen

“Kinder lieben es, geheime Orte zu haben, an deren sie sich – von Erwachsenen unbeobachtet – ins Spiel vertiefen können”, berichtete der Referent. Außerdem hob er die Freude der Kinder an raumgreifender Bewegung hervor. Dabei gingen die Kinder an ihre Grenzen und wagten etwas. Die Aspekte “unbeobachtet sein” und “etwas wagen dürfen” boten Anlass zur Diskussion. Aufsichtspflicht und Sicherheitsvorgaben machten es Erzieherinnen und Erziehern inzwischen oft schwer, den Kindern die dafür nötigen Freiräume zu geben. “Wollen wir Kitas, in denen sich niemand mehr den Fuß brechen kann?”, fragte Waltraud Weegmann provokativ. 

Unterschiedliche Methoden

Bastian WaltherBesonders interessant sind die Methoden, die das Studien-Team anwandte, um gute Ergebnisse zu erhalten. Denn offene und an den Themen der Kinder orientierte Befragungen sind im Kontext von Kitaqualität noch weitgehend unerforscht. Das Team besuchte verschiedene Einrichtungen unterschiedlicher Träger daher jeweils zwei Tage lang und sprach mit 79 Kindern zwischen vier und sechs Jahren. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ließen sich unter anderem von Kindern durch ihre Einrichtung führen und Besonderheiten sowie Lieblingsorten zeigen. Sie führten Gruppendiskussionen und immer wieder Gespräche, z.B. während die Kinder ihre Wunschkita malten (Malinterviews). Sie kamen bei gemeinsamen Buchbetrachtungen über das “Sich-Wohl- oder -Unwohlfühlen” ins Gespräch und sie beobachteten Kinder bei ihrem Tun.

Studie erhält Fortsetzung

“Aktuell führen wir die Studie weiter”, berichtete der Referent. “Wir beziehen mehr Kitas ein, erweitern die Methodik und betrachten zusätzliche Qualitätsdimensionen.” Außerdem bildet das Team auf Grundlage der Erfahrungen aus der Studie 30 Erzieherinnen und Erzieher zur “Fachkraft für Kinderperspektiven” aus. Damit erhalten sie das Rüstzeug, um in ihren Einrichtungen die Perspektive der Kinder gut ermitteln und in die Qualitätsentwicklung einbeziehen zu können.

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Fotos: VFUKS/Perper