Positionspapier: Umgang mit dem Fachkräftemangel

zeigender Finger mit Text "We want you"

Der Arbeitskreis “Innovation” Stuttgarter Kita-Träger stemmt sich gegen die Auswirkungen des Fachkräftemangels – mit Ideen für einen Neustrukturierung des Kita-Alltags und eine diverse Zusammensetzung der Kita-Teams. In einem Positionspapier stellen die Träger ihr Konzept vor, das bereits für Presse-Resonanz in der Landeshauptstadt sorgte.

Neben dem VFUKS sind folgende Träger und Trägerzusammenschlüsse im Arbeitskreis vertreten: Dachverband Stuttgarter Eltern-Kind-Gruppen e.V., Evangelischer Kirchenkreis Stuttgart, Jugendamt der Landeshauptstadt Stuttgart, Konzept-e Netzwerk sowie Paritätischer Wohlfahrtsverband LV Baden-Württemberg.

Hier das Positionspapier vom 11. Juli 2022 im Wortlaut:

Fachkräftemangel: Neue Wege und Maßnahmen

1. Dimension des Fachkräftemangels

Viele Eltern in Stuttgart (und anderswo) erleben es: Kindertagesstätten reduzieren ihre Öffnungszeiten, schließen Gruppen oder vergeben keine Plätze an neue Kinder. Und Kinder mit Inklusionsbedarf können teilweise nur eingeschränkt am Kita-Alltag teilnehmen, da es keine Unterstützungskraft gibt. Die Ursache? Der Fachkräftemangel bei Erzieher*innen.

Der Mangel an Fachkräften hat vielfältige Ursachen und hat sich über Jahre aufgebaut. Die Corona- Pandemie hat die Lage verschärft, weshalb die Situation der Kita-Träger aktuell schwieriger denn je ist. Politik, Eltern und Kita-Trägern muss klar sein: Es handelt sich hierbei nicht nur um eine temporäre, sondern um eine sicher über Jahre hinweg bestehende Problematik, die nicht nur die großen Städte trifft. Es gilt sich dies einzugestehen – auch von Seiten der Politik. Die Diskrepanz zwischen fehlendem Personal einerseits und der Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kita- und bald auch einen Ganztagesschulplatz andererseits, muss offen kommuniziert werden. Dazu gehört auch, gemeinsam zu überlegen, was verändert werden kann oder muss – Personalschlüssel, Fachkraftdefinition, Öffnungszeiten oder Rechtsanspruch?

Ein Blick in die Arbeitsmarktzahlen verdeutlicht die Größenordnung des Problems. Laut Agentur für Arbeit werden in Deutschland 1,2 Millionen Arbeitskräfte gesucht, davon zwei Drittel Fachkräfte. Der Mangel besteht längst nicht mehr nur in Spezialbereichen wie der IT, sondern hat ganze Branchen wie Gastronomie, Handwerk und Gesundheit erreicht. Erschwerend hinzu kommt die demografische Situation: Zwischen 2025 und 2035 treten mehr als fünf Millionen Erwerbstätige (sog. Babyboomer) in den Ruhestand.

Erzieher*in ist seit 2020 offiziell ein Engpassberuf. Die Arbeitslosenquote liegt bei ca. 1,5 Prozent (vor Corona sogar nur 1,1 Prozent). Im Vergleich zum Gesamtarbeitsmarkt ist die Beschäftigtenzahl in der Frühen Bildung zwischen 2012 und 2020 dreimal so stark gewachsen. Es gibt gemäß WIFF Fachkräftebarometer 2021 675.645 pädagogisch tätige Personen (inklusive Leitung). Das sind fast so viele wie Lehrer*innen (rund 693.750).
In Stuttgart können nach eigenen Berechnungen trägerübergreifend von ca. 4.400 Stellen über 350 nicht besetzt werden (ohne Schulkindbetreuung). In Westdeutschland werden bis zum Jahr 2025 je nach Szenario zwischen 20.400 und 72.500 Fachkräfte fehlen. Und die Prognos AG geht in der Frühen Bildung im Jahr 2025 (2030) von einer Lücke von bis zu 191.000 (199.000) Erzieher*innen in Deutschland aus.

Weitere Herausforderungen

Trotz einer massiven Ausbildungskampagne bei allen Trägern, die von der Landeshauptstadt Stuttgart und dem Land Baden-Württemberg unterstützt wird, gelingt es nicht, den hohen Bedarf an qualifiziertem Fachpersonal für den Rechtsanspruch ab dem ersten Lebensjahr, den Ausbau an Kita- Plätzen und die Umstellung auf Ganztagesgruppen zu decken. Die Situation wird sich durch den Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung im Grundschulbereich ab 2026 dramatisch verschärfen.

Der hohe Anteil an Auszubildenden und die arbeitsfeld- und personalmarktbedingte große Fluktuation unter den Mitarbeiter*innen, die eine laufende Einarbeitung neuer Kolleg*innen erfordert, binden zusätzlich Kapazitäten bei den vorhandenen Fachkräften. Der im Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) eindeutig formulierte inklusive Betreuungsanspruch aller Kinder führt zunehmend zu einer herausfordernden Zusammensetzung der Gruppen in Kitas und stellt erhöhte Ansprüche an die fachliche Kompetenz und den Personalbedarf der Mitarbeiter*innen.

Was bedeutet dies für die Stuttgarter Träger? Ein ständiges Manövrieren zwischen den Bedürfnissen der Eltern nach den gebuchten Öffnungszeiten, dem Anspruch auf Bildung, Erziehung und Betreuung und dem Mangel an Fach- und sonstigen Betreuungskräften. Nicht nur, dass der Standard oft kaum eingehalten werden kann, wird die Situation desaströs, wenn zusätzlich Mitarbeiter*innen wegen Krankheit ausfallen. Ein Aushilfspool ist aufgrund des Personalmangels kaum zu halten, da diese Personen meist als reguläre Kräfte eingesetzt werden müssen.

Stuttgarts Stadtgesellschaft ist geprägt von Menschen mit unterschiedlichen Vielfaltsaspekten. Um die damit verbunden Kompetenzen, Ressourcen und Herausforderungen wertschätzend aufzugreifen, ist eine besondere Qualität erforderlich.

Zum quantitativen Mangel an Personal kommt der Mangel an qualifiziertem Personal. Eine Auswahl ist nicht mehr möglich. Die einzige Chance, die den Trägern bleibt, ist die intensive Weiterbildung der Mitarbeiter*innen. Coaching und Weiterbildung sollen dazu führen, dass die Mitarbeiter*innen auch in schwierigen Zeiten mit Erfahrung und Engagement souverän ihre Arbeit verfolgen und dem durch ständigen Personalmangel bedingten Herausforderungen optimistisch trotzen. Die Mittel für Weiterbildung und Fachberatung müssen stark erhöht werden und für alle zur Verfügung stehen.

Da wir ihn nicht bedienen können, kann Qualität in der Kita nicht mehr nur einen immer besseren Personalschlüssel bedeuten. Qualitativ hochwertige Arbeit muss auch in den jetzigen Gruppengrößen gelingen.

Dazu brauchen wir ein Qualifizierungskonzept, das genau bei den aktuellen Problemen ansetzt: Wie können die Gruppen qualitativ hochwertig betreut werden? Wie können wir die Eigenaktivitäten der Kinder unterstützen und was bedeutet dabei Aufsicht? Können wir Wald- und Naturpädagogik als Raum für Kinder aufgreifen, um ihnen wieder Freiräume für Streifzüge zu bieten? Wie erkennen die Mitarbeiter*innen die Prioritäten, z.B. braucht mich jetzt ein einzelnes Kind oder eine Gruppe von Kindern? Und vor allem: Wie kann dieses Qualifizierungskonzept in einer Situation funktionieren, in der wir auf keinen unserer Mitarbeiter*innen im Kitabetrieb verzichten können?
Wir müssen akzeptieren, dass pädagogische Berufe Weiterbildungsberufe sind und die entsprechenden praxisorientierten Konzepte entwickeln und umsetzen.

2. Struktur des Kita-Alltags

Kitas haben sich im Laufe der Zeit verändert: vom klassischen Kindergarten zur modernen institutionellen Kindertagesstätte. Deswegen hat sich auch verändert, was Kitas leisten müssen. Vielfältige Teams bringen im pädagogischen Alltag ihre unterschiedlichen Kompetenzen und Ressourcen ein. In einer Kindertageseinrichtung gibt es Phasen von Bildung, Erziehung und Betreuung. Durch die starke Zunahme an Ganztagesbetreuung muss überlegt werden, ob die hohe Anforderung an Bildung über die gesamte Öffnungszeit hinweg bestehen kann, oder ob Zeiten während des Tages auch unter dem Aspekt der Betreuung betrachtet werden. Ganztägige Kitas mit Öffnungszeiten von bis zu 10 Stunden müssen den Kindern Freiräume wie z.B. zum „Streunen“ außerhalb der pädagogisch geplanten und beobachteten Situationen anbieten und ermöglichen.

Die Anzahl und Qualifikation der zur Verfügung stehenden Mitarbeitenden wird sich dabei in den Kitas situationsbedingt unterscheiden. Deshalb können keine starren “Randzeitenkonzepte” erstellt werden. Die Tagesstruktur muss, auf der Grundlage transparenter und einheitlicher Rahmenfaktoren, mehr in die Trägerverantwortung gegeben werden.

Wir wollen nicht hinter den gesetzlichen Anspruch zurück. Was wir aber benötigen, um die verschiedenen Bedarfe der Kinder, z.B. Inklusion, zu ermöglichen, sind realistische Lösungen. Aus sozialpolitischen Gründen brauchen wir für jedes Kind einen Platz, da ansonsten Kinder nichtberufstätiger Eltern nicht berücksichtigt werden. Der Bedarf kann dabei durch Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder aus sozialen Gründen bestehen. Über eine Veränderung des gesetzlichen Anspruchs auf einen Ganztagesplatz und der Eltern auf eine „Rund-um-Lösung” muss nachgedacht werden.

3. Realistisches Bild von den Arbeitsbedingungen zeichnen

Aufgrund der hohen Bildungserwartungen an die Kindertageseinrichtung als Ort des Lernens, der Begegnung und der Vielfalt haben sich das Image und die Arbeitsbedingungen für pädagogische Fachkräfte stark verändert. Das zeigt sich auch in einem deutlichen Anstieg der Vergütungen. Dadurch sind ein Bild und ein Anspruch in der Öffentlichkeit entstanden, die den realen Bedingungen in der Kita nicht entsprechen.

Die Erwartung ist:

  • individuelle Beschäftigung mit einzelnen Kindern,
  • Förderung in Kleinstgruppen,
  • ständige Aktionen, Angebote und Projekte für die Kinder nach ihren Interessen und Fähigkeiten.

Die Arbeit in großen Gruppen gehört in diesem Bild zur Ausnahme und wird häufig mit einer Überforderung gleichgesetzt. Aufgrund des Fachkräftemangels ist die individuelle Beschäftigung mit einzelnen Kindern oder kleinen Gruppen schlichtweg oft nicht möglich. Ein Personalschlüssel, der dies möglich machen würde, kann zwar beschlossen, aber aufgrund des Personalmarktes heute – realistisch betrachtet – nicht umgesetzt werden.

Das Bild der Arbeit in der Kita muss sich also wieder mehr an den Tatsachen orientieren. Dazu gehört, dass derzeit ein Großteil der Arbeit darin liegt, auch große Gruppe von Kindern zu begleiten, Verwaltungsaufgaben verlässlich durchzuführen, junge und noch unerfahrene Kolleg*innen zu unterstützen, fordernde Eltern professionell zu betreuen sowie zu wissen, wann ein einzelnes Kind eine besondere Unterstützung oder eine kleine Gruppe eine individuelle Ansprache benötigt. Die Tätigkeit von Pädagog*innen bietet gleichzeitig Raum für Eigenständigkeit, für das Einbringen eigener Interessen sowie von Empathie und Begeisterung. Das frühe Aufzeigen aller Perspektiven würde zu einer realistischeren Sicht auf den Beruf führen.

4. Lösungsansätze: Flexibilität sowie Einsatz von Spezialist*innen und Zusatzkräften

Die wichtigste Aufgabe ist und bleibt die Ausbildung. Um genügend Fachkräfte auszubilden, müssen weitere Möglichkeiten eröffnet werden, wie eine Vergütung der Auszubildenen in der klassischen Ausbildung analog der PiA-Ausbildung. Zudem wäre eine Auffächerung des Ausbildungsangebotes sinnvoll. Darüber hinaus müssen wir die Arbeit in den Kitas auch für Akademiker*innen, z.B. Kindheitspädagog*innen, attraktiver machen.

Ferner kann die personelle Ausstattung laut Kita-Verordnung nicht mehr eng auf Fachkräfte nach §7 KiTaG begrenzt bleiben, wenn alle bereits geschaffenen Kitaplätze langfristig belegbar bleiben sollen. Es gilt eine Form der Flexibilität zu finden, die nicht zu einer Beliebigkeit führt, sondern eine möglichst hohe Qualität sichert. In Stuttgart liegen bereits seit einigen Jahren aus Schülerhäusern und Ganztagsschulen Erfahrungen mit einem erweiterten Kreis von Beschäftigten unterschiedlichen beruflichen Hintergrunds vor, die ihr Spezialistentum einbringen können. Sowohl die Definition der zulässigen Ausbildungsabschlüsse als auch die tariflich eng gesteckten Grenzen verhindern eine vergleichbare Umsetzung im Kitabereich. Um bei der aktuellen Situation des Fachkräftemangels die Ausstattung der Kitas zu bewältigen, benötigen die Träger Spielräume für den Einsatz von aus ihrer Sicht geeignetem Personal.

Der seit der Corona-Pandemie erlaubte Einsatz von Nichtfachkräften führte zu Erkenntnissen im Einsatz dieser Personen, die als „helfende Hände” zur Unterstützung der Fachkräfte oder zur Begleitung von Inklusionsprozessen eingesetzt wurden. Ein erfreulicher Begleitaspekt war hierbei, dass sich ein hoher Prozentsatz dieser zunächst als Aushilfen gewonnenen Menschen zu einer Ausbildung entschlossen haben. Zudem muss die Fortführung der Arbeitsverhältnisse mit den Zusatzkräftenlangfristig möglich sein und ein fester Aspekt für die Gewinnung einer ausreichenden Zahl von Mitarbeiter*innen in den Kitas werden. Dafür sind entsprechende Qualifizierungsbausteine zu entwickeln.

Die Realität der fehlenden Fachkräfte, die Erkenntnis fehlender adäquater Einsatzmöglichkeiten z.B. für Frühpädagog*innen mit akademischem Abschluss, als auch die vorliegenden Erfahrungen mit anderen Berufsgruppen führen zu dem Schluss, dass die Kita der Zukunft in ihrer personellen Ausstattung weit mehr (Kombinations)möglichkeiten benötigt, als es die gesetzlichen Rahmenbedingungen aktuell erlauben.

Von Europa lernen. In vielen europäischen Ländern ist die Ausbildung von Erzieher*innen ausschließlich eine akademische. Die Teams in den Kitas setzen sich dort aus Akademiker*innen und angelernten Kräften zusammen. Bei den Trägern liegt – über eine sehr rudimentäre vorgeschriebene Fachkraftquote – die Entscheidung über die Zusammensetzung und Qualifizierung ihrer Mitarbeiter*innen.

5. Wissensmanagement und Lernen in der Praxis

Durch den schwierigen Personalmarkt ist es Trägern häufig nicht möglich Mitarbeiter*innen mit der nötigen Berufserfahrung, dem gewünschten Engagement und einem großen Ideenreichtum gewinnen zu können. Die Herausforderung für die Träger ist es deshalb die jungen Fachkräfte, Quereinsteiger*innen oder Auszubildenden so zu unterstützen und zu qualifizieren, dass sie auch in besonderen Situationen ihre Arbeit mit den Kindern solide erledigen können. Diese Qualifizierung und Unterstützung darf nicht dazu führen, dass die Personalsituation in den Teams noch weiter ausgedünnt wird.

Ein wichtiges Element für eine gute Qualität ist auch die Personalbindung. Wir beobachten, dass Mitarbeitende aus dem Berufsfeld wechseln, da sie zu wenig Unterstützung für die täglichen Anforderungen erhalten. (Fach)Beratungs- und Anleitungsbedarf gibt es bei der Analyse von Spielsituationen, bei Kindern mit herausforderndem Verhalten, bei Inklusionsleistungen und bei vielem mehr.

In einer Praxis-Akademie könnten auf einer gemeinsamen Plattform der Stuttgarter Träger erfahrene Trainer*innen Mitarbeiter*innen Ausbildung im Sinne eines „Trainings-on-the-Job” anbieten. Trainer*innen könnten dabei langjährige, vielleicht bereits verrentete, Pädagog*innen sein. Die vielen Leitungen und Fachkräfte, die zurzeit bzw. in Kürze das Rentenalter erreichen, verfügen über einen Wissens- und Erfahrungsschatz, den es so lange wie möglich zu erhalten gilt. Sie könnten für praxisbezogene Weiterbildungen, Beratungen vor Ort und Coachings jüngerer oder besonders herausgeforderter Fachkräfte eingesetzt werden.
Eine Praxis-Akademie könnte Fortbildung im Alltagskontext anbieten, indem z.B. erfahrene Trainer*innnen eine Kita-Mitarbeiter*in gemeinsam mit einer Gruppe von Kindern betreut, Ideen einbringt und Rückmeldungen für gelungene oder zu verbessernde Interaktion gibt.

Drei Stuttgarter Träger nutzen außerdem aktuell das Landesprojekt „Trägerspezifische innovative Projekte (TiP)“, um verschiedene Aspekte der Personalgewinnung, Personalbindung und der Entlastung von Fachkräften – z.B. durch Digitalisierung der Prozesse – herauszuarbeiten. Es gibt verschiedene Hypothesen zu diesen Themenstellungen, die durch die Inhalte der Projekte bestätigt, erweitert oder fokussiert werden sollen, um wirksame und nachhaltige Ansatzpunkte zu erkennen.

6. Flexibilisierung der Bezahlung, Akademiker*innen und Verwaltungskräfte

Die Eingruppierung der pädagogischen Fachkräfte erfolgt nach dem Vergütungsgruppenplan SuE. Entscheidend sind die Tätigkeitsmerkmale und die Erfahrungszeiten. Keine Rolle spielt der Berufsabschluss und die Bereitschaft, besondere Aufgaben zu übernehmen oder sich besonders zu engagieren.

Wenn es eine finanzielle Entlohnung für Zusatzqualifikationen, Zusatzaufgaben und besonders hohe Leistungsbereitschaft gäbe, entstünden zusätzliche Anreize und Entwicklungsperspektiven für Fachkräfte. Zudem könnte dies eine Motivation für den Verbleib im Erzieher*innenberuf darstellen.

Wichtige Aufgaben, wie die Ausbildung von Mitarbeitenden, die Anleitung, Betreuung und Qualifizierung von Nichtfachkräften, die Begleitung von Inklusionskräften oder eine Spezialisierung für den Kinderschutz werden im Tarifgefüge auf der Ebene der Gruppenleitungen nicht berücksichtigt. Zulagen und Zeitkontingente würden die Bereitschaft der Mitarbeitenden unterstützen, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen.

In den größeren Einrichtungen sind in der Regel Stellen für die Leitungen und die ständigen Stellvertretungen adäquat eingruppiert. Beim Berufseinstieg liegen die Gehälter von pädagogischen Akademiker*innen unter dem Einstiegsgehalt von Erzieher*innen. Dies führt in der Konsequenz dazu, dass die studierten Frühpädagog*innen oft gar nicht erst in den Kitas ankommen oder nach wenigen Jahren in angrenzende Arbeitsbereiche wie die Beratung wechseln.

Für Akademiker*innen müssen spezifische Stellen geschaffen werden, damit sie den Einrichtungen dauerhaft erhalten bleiben. Entwicklungsmöglichkeiten gäbe es in Bereichen wie Ausbildung, Sprache, Elternbildung oder Inklusion. Dies könnte dazu beitragen, dass Kindheitspädagog*innen im Berufsfeld Kita bleiben.

Für die Leitungen bedeutet die massive Zunahme von Verwaltungs- und Organisationstätigkeiten, dass immer weniger Zeit für die Leitung der Teams, die Zusammenarbeit mit Eltern und Trägern sowie für die konzeptionelle Entwicklung bleibt. Eine Möglichkeit wäre, die Leitungen durch verwaltungserfahrene Kräfte zu entlasten. Auch hier wäre es hilfreich, wenn der Träger in der Zusammensetzung seiner refinanzierten Teams mehr Spielraum hätte und die jeweils fachlich und persönlich sinnvolle Personalauswahl treffen könnte und dieser Spielraum auch die Eingruppierung beträfe.

7. Zusammenfassung und Forderungen

Es muss ein realistisches Bild von der Arbeit in der Kita gezeichnet werden. Qualitativ hochwertige Arbeit muss auch in den jetzigen Gruppengrößen gelingen.
In einer Ganztageskita gibt es Phasen von Bildung, Erziehung und Betreuung. Personalschlüssel, Fachkraftdefinition, Öffnungszeiten und Rechtsanspruch sowie das Wohl der Kinder müssen angesichts des gravierenden und langfristigen Fachkräftemangels in Einklang gebracht werden.

Außerdem:

  • Mehr Fachpersonal ausbilden und verschiedene Ausbildungsgänge schaffen.
  • Pädagogische Fachkräfte müssen als Kerngruppe die Qualität in den Kitas sichern.
  • Heterogene Teams ermöglichen: Der Fachkräftekatalog muss erweitert werden und Spezialist*innen (mit Kompetenzen in den unterschiedlichen Bereichen des Orientierungsplans) und Zusatzkräfte müssen zugelassen werden. Es braucht hierfür attraktive Eingruppierungen.
  • Die Finanzierung der vielfältigen Teams muss differenziert und attraktiv gestaltet werden können.
  • Wir benötigen einen höheren Anteil an Akademiker*innen, die entsprechend ihrer Qualifikation eingruppiert werden.
  • Verwaltungskräfte müssen zur Entlastung der Leitungen eingesetzt und bezuschusst werden.
  • Es muss mehr Mittel für Weiterbildung und Fachberatung geben.
  • Eine trägerübergreifende Praxis-Akademie in Stuttgart soll etabliert werden.
    Qualifizierungsangebote müssen verstärkt dort angeboten werden.
  • Einsatz und Beurteilung der Qualifikation von Mitarbeiter*innen weitgehend in die Trägerverantwortung geben. Das heißt: Die Gestaltung der Teams wird durch den Träger (wie in anderen europäischen Ländern) gesteuert, bei einer Mindestanforderung von 70% Fachkräften.
  • Flexible Randzeitenkonzepte (über den Tag verteilt) unter Beteiligung von Kooperationen mit Sport- und Musikvereinen sowie Eltern, mit öffentlicher Förderung und Verankerung in den pädagogischen Konzepten.
  • Keine Trennung von Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungszeiten, sondern eine Parallelität.
  • Die Qualifizierung der vielfältigen Teams muss durch zusätzliche Fort- und
    Weiterbildungsangebote sowie deren Finanzierung gesichert sein.

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Foto: Nick Fewings on Unsplash

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