Rückblick: Woche der freien Träger 2017

Die „Woche der freien Träger“ des VFUKS – Verband freier unabhängiger Kindertagesstätten Stuttgart zeigte vom 8. bis 15. Mai 2017 die Vielfalt der Fragestellungen und die Komplexität der Herausforderungen, wenn es um die Entwicklung der Qualität in der Kindertagesbetreuung geht. Die Verbandsmitglieder machten wichtige Qualitätsaspekte ihrer Arbeit transparent und präsentierten innovative Ideen und Projekte.

„Kita-Qualität steht und fällt mit gut ausgebildetem Personal“, sagte Elternvertreterin Katharina Seydewitz in der kita-politischen Diskussionsrunde am 15. Mai zum Abschluss der „Woche der freien Träger“ in Stuttgart. Die „Woche der freien Träger“ ist eine jährliche Veranstaltung des VFUKS – Verband freier unabhängiger Kindertagesstätten Stuttgart. 2017 stand sie unter dem Motto „Starke Träger, gute Kitas – gemeinsam für die frühe Bildung“. Die Frage danach, was eine hohe Kita-Qualität ausmacht, zog sich als roter Faden durch alle elf Veranstaltungen der Aktionswoche.

Fachkräftemangel blockiert Qualitätsentwicklung

„Wie lässt sich hohe Kita-Qualität verwirklichen, wenn geeignetes Personal fehlt?“, fragte Seydewitz angesichts eines eklatanten Fachkräftemangels zu Recht. Die Gemeinderatsmitglieder Judith Vowinkel (SPD), Rose von Stein (Freie Wähler), Dr. jur. Klaus Nopper (CDU), Vittorio Lazaridis (Bündnis 90/Die Grünen) sowie Bernd Klingler (AfD) – alle auch Mitglieder im Jugendhilfeausschuss – erklärten im Rahmen der Abschlussdiskussion, was die Stadt tue, um dem Mangel entgegenzuwirken. Bislang stehen Tarif Plus, eine Großstadtzulage zum Gehalt, eine Image- und Werbekampagne der städtischen Kitas und die Ausweitung der Ausbildungskapazitäten – insbesondere in der neuen praxisintegrierten Ausbildung (kurz: PIA) – auf der Maßnahmenliste. Eine schnelle Lösung des Fachkraftproblems, so der Konsens, sei damit jedoch nicht zu erwarten.

Neue Wege für die Personalgewinnung

„Ich sehe in der Personalfrage wenig Licht am Horizont“, betonte auch die VFUKS-Vorsitzende Waltraud Weegmann. „Woher sollen denn die Fachkräfte plötzlich kommen? Wir brauchen neue Lösungen.“ Ihr Ansatz lautet: Fachleute aus anderen Branchen pädagogisch fortzubilden und in Kita-Teams einzusetzen. „20 solcher Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger haben bei uns im letzten Jahr die Ausnahmezulassung als Fachkraft erhalten“, berichtete sie. Für die Träger sei das Konzept jedoch aus einem Grund problematisch: „Erst wenn diese Kräfte eine Anerkennung als Fachkraft besitzen, bekommen wir den üblichen Zuschuss zu den Personalkosten. Vorher müssen wir alleine in die theoretische und praktische Ausbildung der angehenden Fachkräfte investieren. Das ist für uns Träger schwer zu stemmen.“ Vittorio Lazaridis plädierte dafür, ein solches Quereinstiegskonzept stärker zu unterstützen: „Es wirkt nicht nur einem Personalmangel entgegen, sondern ist eine Investition in die Bildungsqualität in unseren Kitas“, sagte er. „Wenn Menschen zum Beispiel mit künstlerischer, handwerklicher oder technischer Erstausbildung dort arbeiten, profitieren die Kindern von ganz neuen inhaltlichen Impulsen.“

Quereinstieg in der Praxis

Wie das in der Praxis funktioniert, zeigte die Veranstaltung „Vielfalt leben“ der Konzept-e für Kindertagesstätten gGmbH im element-i-Kinderhaus Feuerland im Rahmen der Aktionswoche. Dort stellten sich Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger vor und diskutierten mit Teamleitungen sowie Fachkräften, die eine klassische Erzieherinnen- bzw. Erzieherausbildung absolvierten. Der gelernte Maschinenbautechniker und heutige Erzieher Konrad Kuhner machte bei einem Rundgang durch die Kita anschaulich, welche Bereicherung seine technische Vorbildung für die Einrichtung bedeutet. Im Garten zeigte er eine große Wetterstation, die im Aufbau ist: „Hier wird es noch eine Skala geben, an der wir die Windgeschwindigkeit ablesen können“, erklärte er begeistert. Ein weiteres Projekt entstand, weil die Autos aus Sicht der Kinder, viel zu schnell an der Kita vorbeifahren. „Wir hatten die Idee, einen Blitzer aufzustellen“, lacht der Erzieher. Was er mit den Kindern anschließend gebaut hat, könnte man auf den ersten Blick für eine echte Blitzanlage halten.

Wissenschaftliche Begründung pädagogischer Arbeit

Dass Kita-Pädagogik heute wenig mit dem zu tun hat, was Eltern noch aus der eigenen Kindergartenzeit in Erinnerung haben, machte auch der Vortrag deutlich, zu dem der pme-Familienservice einlud. Die Sozialpädagogin Petra Evanschitzky referierte vor etwa 70 Eltern und Kita-Fachkräften darüber, wie Kinder lernen und wie Kitas und Eltern sie dabei optimal unterstützen können. Kinder seien sehr gut darin, sich spielend selbst zu bilden. Sie suchten sich immer wieder neue Aufgaben und Herausforderungen. Erwachsene könnten sie dabei unterstützen, indem sie ihnen zusätzliche Impulse und eine anregungsreiche Umgebung böten, die die Neugierde der Kinder anfache. Dieser Selbstlernprozess funktioniere auch deshalb so gut, weil das Gehirn das Glückshormon Dopamin ausschütte, wenn etwas begeistere und besser gelänge als erwartet. Es entstehe eine intrinsische Motivation – ein sehr effizienter Lernmotor. „Auch Pädagogik-Laien konnten durch den Vortrag verstehen, auf welchen wissenschaftlichen Erkenntnissen unserer modernen Kita-Pädagogik aufbaut“, sagte Bettina Stähler, Kita-Managerin Württemberg beim pme Familienservice und stellvertretende VFUKS-Vorsitzende.

Einblick in ein Kita-Projekt

Ein praktisches Beispiel dafür, wie pädagogische Fachkräfte Kinder heute dabei unterstützen, sich Wissensbereiche zu erschließen, bot die educcare Bildungskindertagesstätte in Stuttgart-Zuffenhausen. Moritz Bächle berichtete von dem Projekt „Wo Menschen zu Hause sind“, zu dem die Debatte um Zuzug und Migration angeregt hatte. „Die Kinder haben sich im Spiegel angeschaut und gesehen, dass sie unterschiedlich sind. Zum Beispiel die Haar-, Augen- und Hautfarbe sind verschieden“, erzählte der Erzieher. „Ein Blick auf die Bilder der Eltern, die in unserer Kita hängen, hat gezeigt, dass sie diese Merkmale oft von den Eltern ‚bekommen’ haben.“ Das sei der Aufhänger für eine Diskussion darüber gewesen, was Menschen noch in der Familie lernen und übernehmen – zum Beispiel die Sprache. In der täglichen Kinderrunde hätten die Mädchen und Jungen ihre Ideen zum Thema eingebracht, in Elternabenden die Mütter und Väter. „Daraufhin haben wir Länderwochen durchgeführt – mit großen Landesfahnen im Foyer, mit landestypischem Essen und einer Begrüßung in der Landessprache. Viele Eltern haben sich an der Gestaltung beteiligt“, berichtete Bächle. „Aktuell fragen wir uns, was eigentlich Heimat bedeutet, und haben damit angefangen, die Häuser zu fotografieren, in denen die Kinder aus unserer Kita wohnen.“

Beziehungen zu Kindern gestalten

Wie wichtig grundlegendes psychologisches Wissen für Eltern ist, um die Beziehung zu ihren Kindern gut zu gestalten, machte der Vortrag „Beziehungsweise“ deutlich, den Karin Sautter-Ott, Dozentin für Psychologie an der Ludwig Schlaich Akademie, auf Einladung der Kindertagesstätte Gospel Forum hielt. In ihrem einstündigen Referat gab die Rednerin den rund 50 Zuhörerinnen und Zuhörern einen Überblick über die kindliche Entwicklung von der Zeugung bis zur Pubertät. „Eindrücklich fand ich zum Beispiel, wie Frau Sautter-Ott die sogenannte Trotzphase beschrieb und wie wichtig es sei, dass Eltern den Kindern in dieser Zeit das Gefühl geben, aufgefangen zu sein. Sie sind jetzt aufgerufen, Dinge mit den Kindern auszuhandeln. Machtkämpfe auszufechten und sich auf jeden Fall durchsetzen zu wollen, ist dabei eher kontraproduktiv“, berichtet Einrichtungsleiterin Ingrid Bottesch. Für die Gestaltung des Kita-Alltags fand die Leiterin den Hinweis wichtig, dass von unter Dreijährigen in den Einrichtungen oft viel erwartet würde. Sehr junge Kinder seien jedoch noch nicht in dem Maße „gruppenfähig“ wie Drei- bis Sechsjährige und zum Beispiel oft überfordert, wenn sie sich für ein bestimmtes Verhalten bei einem anderen Kind entschuldigen sollten. Für die Kinder sei es in diesem Alter besonders wichtig, sich mit ihren Bedürfnissen wahrgenommen zu fühlen und ausreichend Körperkontakt zu erhalten.

Sexualpädagogik und Schutzauftrag

Um körperliche Erfahrungen ging es auch in der Kita Rominger, die zu einem Vortrag über die psychosexuelle Entwicklung von Kleinkindern eingeladen hatte. Der Sexualpädagoge Michael Hirsch von ProFamilia referierte darüber, was Kinder im Laufe ihrer Entwicklung benötigen, um eine gute Wahrnehmung für den eigenen Körper zu entwickeln. Einrichtungsleiterin Tanja Renkl-Evers fand unter anderem die Information sehr wichtig, dass das, was Erwachsene mit Sexualität verbänden, nichts mit dem zu tun habe, was das Thema für junge Kinder ausmache. Damit Kinder ihre Sexualität gut entwickeln könnten, benötigten sie Sinneserfahrungen, wie sie sie im Körperkontakt mit anderen, im Umgang zum Beispiel mit Wasser oder Sand sowie beim Spielen, Schaukeln und Klettern machten. Wichtig sei es, eine Kultur zu etablieren, in der Kinder lernten, ihrem Gefühl zu vertrauen und deutlich „nein“ zu sagen, wenn sie sich in ihrer Integrität verletzt fühlten. Diese Aussage gälte es dann zu respektieren. In der Diskussion warf dies ganz praktische Fragen auf. „Wie reagiere ich, wenn sich mein Kind die volle Windel nicht wechseln lassen möchte?“, fragte zum Beispiel eine Mutter. Der Referent riet zur Aushandlung eines Kompromisses, der es dem Kind erlaubt, vor dem Windelwechsel noch etwas fertig zu machen. Renkl-Evers berichtete über das sexualpädagogische Konzept der Kita Rominger, das sowohl die Ausgestaltung des Themas „Körperwahrnehmung“ als Bildungsbereich beschreibe als auch den Schutzauftrag der Einrichtung konkretisiere. „Wir haben dadurch eine hohe Sensibilität dafür, wann Grenzen verletzt werden und wissen, wie wir professionell darauf reagieren können. Das ist ein besonderes Qualitätsmerkmal unserer Einrichtung“, erklärte sie.

Bundesqualitätsentwicklungsgesetz soll kommen

Diese und viele weitere Veranstaltungen im Rahmen der „Woche der freien Träger“ machten deutlich, wie vielschichtig, das Thema der pädagogischen und strukturellen Qualität in Kindertagessstätten ist. Dass Bund und Länder Handlungsbedarf bei der Definition und bundesweiten Vereinheitlichung der Standards sehen, hatte der Auftaktvortrag zum „Bundesqualitätsentwicklungsprozess in der Kindestagesbetreuung“ von Dr. Nicole Klinkhammer vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) gezeigt. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe legte neun Handlungsfelder fest. Sie sollen die Grundlage für ein Bundesqualitätsentwicklungsgesetz bilden. Das geplante Gesetz wird jedoch keine festen Vorgaben machen, sondern es jedem Land selbst überlassen, in welchen Qualitätsfeldern und für welche konkreten Qualitätsentwicklungsmaßnahmen es Fördergelder vom Bund einsetzen möchte. Dieses Vorgehen trage der Tatsache Rechnung, dass die Ausgangslage von Land zu Land sehr unterschiedlich sei, sagte die Referentin.

 

Über den VFUKS

Der VFUKS – Verband freier unabhängiger Kindertagesstätten Stuttgart vertritt die Interessen von 14 Trägern mit rund 50 Kindertagesstätten und etwa 3.000 Betreuungsplätzen für
Kinder zwischen sechs Monaten und zehn Jahren in der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Alle Mitglieder des Verbandes zählen zu den „Sonstigen Freien Trägern“. Das
bedeutet, dass sie weder der Stadt, einem klassischen Wohlfahrtsverband noch den beiden großen christlichen Kirchen direkt angehören. Insgesamt betreuen “Sonstige Träger” gut
ein Drittel aller Kinder in Stuttgart.

Weitere Informationen unter www.vfuks.de.

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