Ausnahmezustand in Deutschland: Bundesweit mussten Kindertagesstätten und Schulen schließen, um Ansteckungen mit dem Corona-Virus zu vermeiden. Auch wenn die Kinder fernblieben, seien die Fachkräfte weiter arbeitspflichtig und hätten Anspruch auf ihr Gehalt, sagt Rechtsanwalt Detlev Heyder von der HKS – Heyder, Klie, Schindler Rechtsanwaltspartnerschaft mbB in Freiburg, den der Deutsche Kitaverband um Stellungnahme zu diversen arbeitsrechtlichen Fragestellungen bat.
Zu diesen Fragen nahm Rechtsanwalt Detlev Heyer wie folgt Stellung:
Welche Folgen ergeben sich aus der landesrechtlichen Schließungsverordnung für Kindertagesstätten?
Soweit die zuständige Landesbehörde Quarantänemaßnahmen anordnet oder seitens der jeweiligen Landesregierung eine Schließungsverfügung ergeht, bleiben die rechtlichen Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung, sei es im Krankheitsfall oder durch die Weiterbeschäftigungspflicht, erhalten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen also weiterhin ihr Gehalt.
Was gälte, wenn ein Kita-Träger Einrichtungen aus eigener Initiative schlösse?
Soweit der Arbeitgeber aus eigener Initiative seinen Betrieb schließt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Arbeitslohn weitergezahlt werden muss. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz des Betriebsrisikos gemäß § 615 Satz 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Wie sollten Träger mit Beschäftigten umgehen, die sich mit dem Corona-Virus infiziert haben?
Sobald bei Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern die entsprechenden Symptome festgestellt werden, müssen diese vom Arbeitsplatz fernbleiben. Es ist davon auszugehen, dass diese krankgeschrieben werden. In diesen Fällen gilt die übliche Regelung, wonach die gesetzliche Entgeltfortzahlung über einen Zeitraum von sechs Wochen zu leisten ist.
Was gilt, wenn der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin Beschäftigte nach Hause schickt?
Bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die nicht krankgeschrieben werden und die, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr beschäftigt werden oder nicht mehr beschäftigt werden können, muss das Gehalt unverändert weiterbezahlt werden.
Müssen Beschäftigte Urlaub oder Überstunden einbringen?
Im Zusammenhang mit der Entgeltfortzahlung und der Weiterbezahlung des Gehaltes kann von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht verlangt werden, dass sie in Urlaub gehen oder eventuell vorhandene Überstunden ableisten.
Wie sieht die Situation aus, wenn Beschäftigte aus eigenem Antrieb der Arbeit fernbleiben?
Soweit ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin aus Eigeninitiative dem Arbeitsplatz fernbleibt, obwohl er nicht erkrankt ist und lediglich Sorgen hat, dass er sich anstecken könnte, ist festzuhalten, dass er deshalb nicht von seiner Arbeitspflicht entbunden ist. In Ausnahmefällen, etwa bei einem konkreten Infektionsverdacht, kann jedoch die Unzumutbarkeit nach § 275 Abs. 3 BGB gegeben sein. In derartigen Fällen muss eine Einzelfallabwägung vorgenommen werden.
Aus Kulanzgründen kann dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin selbstverständlich die Inanspruchnahme von Erholungsurlaub gewährt werden, auch wenn dies gerade nicht in den Stellenplan passt. Ebenso ist es möglich, eine Vereinbarung zu treffen, dass Beschäftigte ohne Entgeltfortzahlung von der Arbeitsleistung für einen bestimmten Zeitraum freigestellt werden.
Welche Regelungen gelten für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall?
Wie bereits dargelegt, hat ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin, der bzw. die in Folge einer Infektion mit dem Corona-Virus arbeitsunfähig erkrankt ist, die Ansprüche nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz im Krankheitsfall. Demgemäß behält der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin für einen Zeitraum von maximal sechs Wochen seinen bzw. ihren Vergütungsanspruch. Für den Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin besteht in diesem Fall – abhängig von der Anzahl der Beschäftigten – die Möglichkeit auf eine Erstattung nach den §§ 1, 2 Ausgleichsgesetz (AAG). Dies ist eine Entlastungsleistung zu Gunsten kleinerer Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber aufgrund eines gesetzlich solidarischen Umlageverfahrens (sogenannte „U1-Umlage“).
Welche Entgeltansprüche bestehen bei einer noch symptomfreien Infektion bzw. bei einem Infektionsverdacht?
Über die mit Symptomen verbundene Erkrankung am Corona-Virus hinaus gibt es weitere Situationen, in denen der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin berechtigterweise vom Arbeitsplatz fernbleiben kann.
Beispielhaft sind folgende Fälle zu erwähnen:
• Nachweisliche Infektion des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin mit dem Corona-Virus
• Grippeähnliche Symptome des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin und Aufenthalt in einem internationalen Risikogebiet bzw. einem besonders betroffenen Gebiet in Deutschland
• Grippeähnliche Symptome des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin und Kontakt mit einer nachweislich infizierten Person
In derartigen Fällen kann der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin im jeweiligen Einzelfall nach § 616 BGB erhalten bleiben. Danach verliert der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin seinen bzw. ihren Vergütungsanspruch nicht, wenn er oder sie für einen verhältnismäßig nicht erheblichen Zeitraum durch einen in seiner bzw. ihrer Person liegenden Grund ohne Verschulden an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert ist. Der Zeitraum, der nach § 16 in Betracht zu ziehen ist, bezieht sich allerdings auf einen recht überschaubaren Zeitraum, der gemäß der Rechtsprechung nach dem Verhältnis von Dauer des Arbeitsverhältnisses zur Dauer der Verhinderungszeit zu berücksichtigen ist. Diese Alternative dürfte allerdings inzwischen relativ selten anfallen, da die Ansprüche auf Entgeltfortzahlung zu berücksichtigen sind.
Wichtiger Hinweis: Diese Informationen sind keine verbindliche Rechtsberatung des Deutschen Kitaverbands. Der Deutsche Kitaverband übernimmt keine Gewährleistung dafür.