Der Direktor des Deutschen Jugendinstituts DJI, Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, sieht die Qualität der Kindertagesbetreuung in Deutschland bedroht. In zehn Thesen zum Ausbau der Frühen Bildung erläutert er seine Einschätzung.
Rauschenbach und seine Co-Autorin Christiane Meier-Teubner, DJI-Expertin für Frühe Bildung, ziehen im Heft 1/2019 des Magazins „DJI Impulse“ Zwischenbilanz zum Ausbau der Frühen Bildung. Vor allem warnen sie davor, dass eine erforderliche Qualitätsoffensive gegenüber dem Ausbaubedarf in den Hintergrund geraten könne. Zudem könnten die finanziellen Herausforderungen „in den Zuständigkeiten im derzeitigen Föderalismus allein nicht mehr angemessen gelöst werden“, so Rauschenbach.
Die zehn Thesen in Kurzfassung
Die Thesen 1 bis 5 befassen sich mit dem Ausbau der vergangenen Jahre, die Thesen 6 bis 10 werfen einen Blick in die Zukunft.
- Kita-Betreuung ist einer der größten Wachstumsmärkte in Deutschland geworden, dennoch wird die sie kaum als „Job-Motor“ wahrgenommen.
- Der bisherige Ausbau hat die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in vielen Familien verbessert.
- Kindertageseinrichtungen sind „zu einem alltäglichen Ort des Aufwachsens geworden“. Hier nähert sich die Betreuungssituation im Westen den Verhältnissen der ostdeutschen Bundesländer an. Mehr als die Hälfte der Zweijährigen erfahren mittlerweile Betreuung in einer Kita oder Tagespflege.
- Kitas haben sich zu einem frühen institutionellen Bildungsort entwickelt und übernehmen damit eine Rolle, die früher der Grundschule zukam.
- Diese institutionelle Bildung „von Anfang an“ kann für Kinder aus zugewanderten Familien hilfreich sein.
- Auch für die Zukunft ist erhebliches Wachstum in der Kindertagesbetreuung zu erwarten, aufgrund steigender Geburtenraten, weiterer Zuwanderung und wachsender Nachfrage nach außerfamilialer Tagesbetreuung. Man muss davon ausgehen, „dass in den kommenden Jahren mehr neue Plätze gebraucht werden als im vergangenen Jahrzehnt bereits erfolgreich geschaffen wurden.“
- Ein weiterer Anstieg der Müttererwerbstätigkeit ist zu erwarten. Bei Männern zeigen sich bisher keine nennenswerten Arbeitszeitveränderungen.
- Angesichts der Knappheit bei U3-Plätzen kann man von Kitas nicht erwarten, das Problem sozialer Disparitäten zu lösen. Besonders unter dreijährige Kinder aus benachteiligten Familien erhalten derzeit seltener einen Platz in der Kindertagesbetreuung und genießen daher keine gezielte Förderung. Mit gestaffelten Gebühren und genügend Kitaplätzen ist dem entgegenzuwirken.
- Um die hohen Anforderungen zu erfüllen, die der hohe Aufbau- und Qualitätsbedarf stellt, müssen zukünftig alle föderalen Ebenen anhaltend und konstruktiv zusammenarbeiten: Bund, Länder und Kommunen in klarer Kompetenzverteilung.
- Die Qualitätsoffensive darf nicht aus dem Fokus geraten, denn die bloße Bereitstellung von Kitaplätzen reicht nicht aus. Qualitätsverbesserung muss als ebenso wichtige Aufgabe im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit stehen.
Forschungsmagazin DJI-Impulse
Das Deutsche Jugendinstitut ist eins der größten sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitute in Deutschland und arbeitet auf den Gebieten Kindheit, Jugend, Familie und Bildung. „DJI Impulse“, das Forschungsmagazin, berichtet regelmäßig über relevante Ergebnisse. Interessierte können das Magazin kostenlos beziehen, online oder in gedruckter Form. Die aktuelle Ausgabe Nr. 1/2019 trägt den Titel „Frühe Bildung – Bilanz und Perspektiven für Deutschland“.
Links
- Forschungsmagazin „DJI Impulse“ mit Möglichkeit zum Download der Ausgabe 1/2019
- Potenziale der Frühen Bildung nutzen, Pressemitteilung des Deutschen Jugendinstituts zum Heft „DJI Impulse 1/2019“
Foto: Gabi Schoenemann/pixelio.de