Wie setzen sich die verschiedenen Parteien für die Interessen der freien unabhängigen Kindertagesstätten ein? Welche Positionen vertreten sie? Der Verband freier unabhängiger Kindertagesstätten Stuttgart (VFUKS) wollte es genau wissen und versandte im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 drei Fragen, als sogenannte Wahlprüfsteine, an die Kandidatinnen und Kandidaten der Wahlkreise Stuttgart I und II.
Es erreichten den VFUKS detaillierte Antworten von CDU und Bündnis 90/DIE GRÜNEN. Die SPD sandte allgemeine Ausführungen, aus denen wir zwei Passagen unseren Fragen zuordnen konnten. Alle weiteren Aussagen, die sich nicht auf die VFUKS-Fragen bezogen, haben wir hier nicht berücksichtigt.
Frage 1: Was werden Sie auf Bundesebene für die Gleichstellung aller Träger in Bezug auf die Bezuschussung, einen freien Marktzugang und die faire Repräsentation in Gremien tun?
Karin Maag und Dr. Stefan Kaufmann von der CDU antworten:
„§ 3 Abs. 1 SGB VIII benennt die Vielfalt von Trägern unterschiedlicher Werteorientierungen und die Vielfalt von Inhalten, Methoden und Arbeitsformen als Strukturmerkmal der Kinder- und Jugendhilfe. Daraus kann jedoch kein Anspruch von Leistungsempfängern auf eine bestimmte Trägerspezifische Angebotsstruktur und auch kein Anspruch eines Trägers auf bestimmte Leistungserbringungen hergleitet werden, weil sich die Tätigkeit der freien Jugendhilfe einer einseitigen staatlichen Disposition entzieht. Die Vorschrift verpflichtet die öffentliche Jugendhilfe lediglich, die notwendigen Rahmenbedingungen für diese Vielfalt zu schaffen und zu erhalten. Die CDU befürwortet es, wenn auch neue Träger die Möglichkeit erhalten, ihre Dienste am Markt anbieten zu können. Dies muss auf kommunaler Ebene geklärt und entschieden werden und obliegt nicht dem Bundesgesetzgeber.“
Anna Christmann und Cem Özdemir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN antworten:
„Unser Ziel ist es, dem Wunsch- und Wahlrecht der Kinder, Jugendlichen und Eltern gerecht zu werden. Die Leistungen der freien Träger werden bisher zu wenig wertgeschätzt. Dominierend sind vielmehr die chronische Unterfinanzierung und die Abhängigkeit vom öffentlichen Träger der Jugendhilfe. Es wird immer schwieriger, finanzielle Mittel zu akquirieren und die Qualität der Angebote zu halten bzw. zu verbessern. Vor diesem Hintergrund werden wir fortwährend prüfen, inwiefern die gestiegene Bedeutung der privat-gewerblichen Träger eine rechtliche Anpassung nach sich ziehen sollte, welche Voraussetzungen erfüllt und welche Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden müssen.“
Frage 2: Wie werden Sie dazu beitragen, dass die Angebotsvielfalt der Kita-Träger gesichert und damit das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern gestärkt wird?
Karin Maag und Dr. Stefan Kaufmann von der CDU antworten:
„Auch die CDU ist der Auffassung, dass Gutscheine als Instrument zur subjektbezogenen Förderung eine Alternative zur mehrheitlich in deutschen Kommunen praktizierten Objektförderung darstellen. Einzelne Städte wie Hamburg, Berlin, Heidelberg oder Erfurt setzen Gutscheine zur Vergabe von Betreuungsplätzen ein, um die elterliche Nachfragemacht und das damit verbundene Wunsch- und Wahlrecht zu stärken. Zu beachten ist allerdings, dass die positiven Effekte des Gutscheinsystems dort am größten sind, wo viele Betreuungsplätze zur Verfügung stehen. Dies ist in (Groß)Städten eher der Fall als in ländlichen Gebieten. Aufgrund der geringeren Anzahl von Anbietern und der damit verbundenen Einschränkungen der elterlichen Wahlmöglichkeiten, ist dort der Effekt geringer. Die CDU hält es aus diesem Grund für sach-gerecht (und verfassungsrechtlich geboten), dass der Bundesgesetzgeber nicht in die Bedarfsfeststellung und die Angebotsplanung für die Kinderbetreuung eingreift. Diese müssen auf örtlicher Ebene erfolgen, da nur so neben den Bedürfnissen von Kindern und Eltern auch der Sozialraum und die Infrastruktur berücksichtigt werden können.“
Ute Vogt von der SPD antwortet:
„Wir wollen, dass Eltern für die gute Betreuung ihrer Kinder passgenaue Angebote zur Verfügung stehen und werden die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch weiter verbessern. Wir werden in Bildung und Betreuung am Nachmittag investieren und einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Kita- und Grundschulkindern einführen – mit finanzieller Beteiligung des Bundes. Die Kita-Gebühren schaffen wir schrittweise ab und entlasten damit alle Familien, die jetzt noch für die Betreuung zahlen müssen.“
Anna Christmann und Cem Özdemir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN antworten:
„In den vergangenen Jahren wurden viele Kita- und Krippenplätze geschaffen. Dieser Ausbau der Angebote für die Kinder ist ein großer Erfolg. Ebenso der Rechtsanspruch auf ein Angebot für die Kinder im Alter von ein bis drei Jahren. Aber bis 2020 werden weitere 350.000 Plätze für Kinder bis zum Schuleintritt gebraucht. Finanziert sind bisher nur weitere 100.000 Angebote. Die fehlenden 250.000 Angebote werden wir finanzieren. Uns ist wichtig, dass es sich um Plätze in richtig guten Krippen, Kitas und Kindergärten handelt. Eltern wollen mit einem guten Gefühl zur Arbeit fahren und ihre Kinder gut versorgt wissen. Kinder brauchen Fachkräfte, die ihnen Zeit widmen und sie individuell fördern. Leider hat sich die Qualität der Angebote seit Jahren nicht wirklich verbessert. Und es gibt zu wenige Erzieherinnen und Erzieher für unsere Kinder. Das wollen wir ändern. Unser Ziel ist es, dem Wunsch- und Wahlrecht der Kinder und ihrer Eltern gerecht zu werden, indem wir ein bedarfsgerechtes und möglichst vielfältiges Angebot schaffen. Zudem muss es eine verbindliche gesetzliche Regelung geben, wie viele Kinder von einer Erzieherin oder einem Erzieher betreut werden. Für die qualitativen Verbesserungen und für die Schaffung der fehlenden Angebote werden wir zusätzlich drei Milliarden Euro pro Jahr investieren. Mit der Einschulung darf das ganze Arrangement in der Familie nicht zusammenbrechen. Daher wollen wir den Ausbau von Ganztagsschulen vorantreiben bzw. einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule bis zum Ende der vierten Klasse für alle Grundschulkinder schaffen.“
Frage 3: Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass Baden-Württemberg im Rahmen der Qualitätsoffensive des Bundes für die landesspezifischen Bedarfe an Fachkraftqualifizierung, Stärkung der Leitung und der Steuerungssysteme der Träger Unterstützung erhält?
Karin Maag und Dr. Stefan Kaufmann von der CDU antworten:
„Das Regierungsprogramm von CDU und CSU für die nächste Legislaturperiode sieht vor, dass wir parallel zur Erhöhung der Zahl der Betreuungsplätze dafür sorgen werden, dass die Qualität von Bildung und Betreuung weiter ausgebaut wird. Eine Schlüsselrolle wird dabei der Ausstattung von Kindertages- und Betreuungseinrichtungen mit ausreichend und gut ausgebildetem Personal zukommen. Das Land Baden-Württemberg ist mit Blick auf die empfohlene Fachkraft-Kind-Relation bei der Kinderbetreuung schon sehr gut aufgestellt. Zu den Fragen der Fachkräftegewinnung von Erzieherinnen und Erziehern sowie damit einhergehender Fragen wurde eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet, die im Juli erstmalig getagt hat. Im Rahmen dieser Arbeitsgruppe müssen die wesentlichen Schwerpunkte auch unter Berücksichtigung der jeweils regionalen Besonderheiten herausgearbeitet werden.“
Ute Vogt von der SPD antwortet:
„Mit einem bundesweiten Gesetz werden wir die Qualität von Kitas mit Unterstützung des Bundes steigern. Wir begrüßen daher, dass sich die Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) am 19. Mai 2017 mehrheitlich auf Eckpunkte für ein Qualitätsentwicklungsgesetz verständigt hat. Bereits seit 2014 haben sich die sozialdemokratischen Vertreterinnen und Vertreter der JFMK dafür eingesetzt und werden auch in der nächsten Wahlperiode weiter daran arbeiten.
Dabei ist vorgesehen, dass die Länder entsprechend ihrer Entwicklungsbedarfe Handlungsziele und -felder auswählen, die sie angehen wollen. So können Länder beispielsweise auf die Verbesserung des Personalschlüssels und Leitungsfreistellung setzen, andere dagegen etwa auf Beitragsbefreiung, Erweiterung von Öffnungszeiten oder Qualifizierung der Fachkräfte. Damit wollen wir sicherstellen, dass allen Ländern genau dort zielgerichtet geholfen wird, wo Bedarf besteht.
Mehr Qualität in Kitas geht nur mit zusätzlichen Fachkräften, die die Kinder in ihren Gruppen fördern und betreuen. Um diese zusätzlichen Fachkräfte zu gewinnen, muss der Beruf aufgewertet und die Ausbildung verbessert werden. Das wollen wir auf Bundesebene mit einer Fachkräfteoffensive unterstützen. Menschen, die in Erziehungsberufen arbeiten, verdienen mehr Anerkennung und gute Arbeitsbedingungen. Die Träger, Dienste und Einrichtungen sind ebenso in der Verantwortung wie Bund, Länder und Kommunen. Denn die öffentliche Hand legt Rahmenbedingungen sowie die finanzielle Ausstattung fest. Um der Zersplitterung der arbeitsrechtlichen Vereinbarungen und der Tarifabschlüsse zu begegnen, ist ein allgemeinverbindlicher Branchentarifvertrag Soziales notwendig.“
Anna Christmann und Cem Özdemir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN antworten:
„Wir begrüßen es, dass sich Bund und Länder endlich auf Eckpunkte für ein Qualitätsgesetz der Kindertagesbetreuung verständigt haben. Die Unterstützung der genannten Maßnahmen kann allerdings erst dann erfolgen, wenn das Qualitätsgesetz von der Bundesregierung beschlossen und umgesetzt wird. Wenn dies geschehen ist und die Gelder von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt werden, werden wir uns dafür einsetzen, dass diese zur Verbesserung der Qualität in den Kindertageseinrichtungen eingesetzt werden.“
Link:
- VFUKS-Wahlprüfsteine als pdf zum Download
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